Gedanken zu „Türme der Angst“











Vorgeschichte

Bevor ich mit der eigentlichen Beschreibung dieser Arbeit beginne, gestatten Sie mir zum besseren Verständnis noch ein paar einleitende Worte.

Wie Sie auch aus meiner Kurzbiografie entnehmen können, bin ich kein ausgebildeter Holzbildhauer oder Absolvent einer Kunsthochschule. Nein das bin ich nicht, sondern der klassische Seiten- und Späteinsteiger, den das Leben und das Schicksal dahin gebracht hat. Als die obengenannte Arbeit entstand, hatte ich gerade sowohl einen schweren Schicksalsschlag (Tod meiner Mutter), als auch eine schwerwiegende gesundheitliche Störung (Burnout-Syndrom und schwere Depression) mit fast zweijähriger Behandlungszeit hinter mich gebracht. Dabei entdeckte ich meine Kreativität und die Liebe zum Holz wieder, die ich längst verloren glaubte.

Da ich noch soviel zu be- und verarbeiten hatte und mich das Holz sprichwörtlich nicht mehr losließ, beschloss ich, diesem Weg zu folgen und widmete mich von da an nur noch meinen Arbeiten mit dem Holz.

Als ich anfing, besaß ich kaum ein brauchbares Werkzeug dafür, von geeignetem Holz ganz zu schweigen. Aus finanziellen Gründen konnte ich mir gekauftes nicht leisten und suchte mir die Werkzeuge und das Holz zusammen, wo immer ich es finden konnte, so auch für diese eingereichte Arbeit hier. Ich hatte nur einen Satz Stechbeitel und einen alten Eichenbalgen und den Wunsch und Drang, mich auszudrücken. So begann ich mit dieser, meiner ersten Hartholzarbeit.


Die Arbeit

Türme der Angst. Wenn Sie dabei unwillkürlich an die Ereignisse des 11. September 2001 denken oder erinnert werden, dann liegen Sie mit Ihren Gedanken schon recht weit an dem, auch für mich, ursprünglichen Punkt zu dieser Arbeit. Aber es sei an dieser Stelle gleich gesagt, es geht nicht um dem 11.09. als Katastrophenereignis, sondern um das, was dann folgte, was dem Gesellschaftssystem seither innewohnt und was uns wohl alle seit diesem Zeitpunkt erfasst hat – nämlich die Angst.

Die Angst vor weiteren Katastrophen, Kriegen, Terrorakten oder aber auch aktuell besonders spürbar – die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise und deren Auswirkung auf uns alle. Was für viele hier ganz klar heißt: Angst vor Verlust (des Arbeitsplatzes), Angst vor Verlust (des sozialen Standards), Angst vor Verlust (des eigenen Wohlstands) , Angst vor Verlust der schlichten Existenz, sowie die Angst vor dieser Angst und der damit einhergehenden Ohnmacht, dem Ganzen irgendwie schutzlos ausgeliefert zu sein.

Es geht mir also bei dieser Arbeit um äußere und innere Konflikte, die mich (und wohl auch manch anderen) erfasst oder betroffen gemacht haben. Ich wollte bei dieser Arbeit darstellen, wie die Angst alles durchdringt und wie sehr viele Dinge in unserem Leben und in unserem gesellschaftlichen System kurz vor dem Zusammenbruch und auf höchst labilen Grund stehen.

Symbolisiert wird das System durch die zwei Türme (Gleichnis zu den „twin-towers“ des WTC), die auf einem scheinbar fließenden Grund stehen. Wenn Sie sich die Türme ansehen, sehen Sie zwei in ihrer Architektur unterschiedliche Gebilde. Es soll darstellen, ganz gleich wie wir eine Statik für die Architektur unserer Gebäude aber auch unserer sonstigen Systeme errichten, ihnen wohnt immer die Gefahr der Zerstörung, des Zerfalls und der Aushöhlung durch diverse Kräfte inne. In diesem Fall die Aushöhlung durch die Angst selbst, wie sie im realen Fall der „twin-towers“ unmittelbar nach den Angriffen und vor ihrem Einsturz herrschte. Eine Angst, die rasend schnell jeden erfasste, der die Bilder sah und die sich blitzschnell um die ganze Welt verbreitete. Die Wellt war wie gelähmt, alle waren gelähmt – ich war gelähmt und zitterte und heulte vor Angst, was nun als nächstes kommen würde, aber auch vor Verzweiflung und Fassungslosigkeit über diese unbegreifliche Tat.

Diese Angst brach sich bei mir Bahnen, durchflutete mich und mein Denken und Handeln (was an der Arbeit sichtbar durch das durchgehende Winden der natürlichen Holzfaserung zu erkennen ist) und führte letztendlich auch zu dem jahrespäter folgenden Zusammenbruch meiner Selbst.

Genauso durchsetzte diese aufgebrochene Angst des 11.09. die ganze Welt und beherrschte von da an dominant jedes politische und wirtschaftliche Denken und Agieren bis in die letzten Winkel der Gesellschaft und der darin wohnenden Menschen.

Das Klima der Angst, sowohl der eigenen, sowie der gesellschaftspolitisch implizierten Angst bringt letztendlich alles zu Fall oder zum Erliegen. Es stoppt und verhindert eine konstruktive, kreative und innovative Entwicklung der eigenen Person als auch der Gesellschaft mit all ihren Organen und Organisationen.

Gekennzeichnet ist das durch die scheinbare Unvollständigkeit der Türme, die sich nach oben in ein Nichts aufzulösen scheinen. Und so starr, wie sie dastehen, so erstarrt kann die Angst selbst machen – handlungsunfähig, wie ich es selbst war.

Letztendlich ist diese Arbeit ein sehr persönlicher Versuch einer Traumabewältigung, die nur sehr und ausschließlich subjektiv reflektierend ist. Sie ist weder fingerzeigend moralisch belehrend und bewertend, noch vollständig beschreibend. Sie erhebt keinen Anspruch auf künstlerische Konventionen und beugt sich nicht ihren Wertmaßstäben. Diese Arbeit ist meine Sicht der Dinge, meine gefühlte Erfahrung – ein gemachter Monolog mit mir selbst, an dem ich andere gern teilhaben lassen will, wenn sie über das Thema Angst nachdenken möchten.

Gleichfalls lädt diese Arbeit dennoch ein, sich der Schönheit des Materials Holz bewusst zu werden und sich ihr hinzugeben. Berühren ist ausdrücklich erlaubt und erwünscht.

Thomas Thiele alias OhnMächtig